ORATORIUM À LA CARTE

Cyrill Stoletzky, Solinger Morgenpost vom 14.04.2016

Die Jahreszeiten sind launisch wie das Leben: mal stürmisch, mal heiter, mal sonnig, mal von dichtem Nebel durchzogen. Was das, wie Astrid Kordak in ihrer Einführung zum achten Philharmonischen Konzert anmerkte, eher bescheidene Libretto des Haydn´schen am 24. April 1801 in Wien uraufgeführten Spätwerks vermissen lässt, holt dessen Musik an Tiefgang um ein Vielfaches wieder ein.

Zweieinhalb Stunden Oratorium für großes spätklassisches Orchester, vierstimmigen Chor und drei Vokalsolisten – ein Riesenprojekt. Das Generalmusikdirektor (GMD) Peter Kuhn und die Bergischen Symphoniker, gemeinsam mit dem Chor des Orchesters und den Solisten Annika Boos (Sopran), Uwe Stickert (Tenor), Torben Jürgens (Bass) glänzend bewältigten.

Es war das große Ganze, das von Anfang an stimmte und die Aufführung rund, klar, geschlossen und stimmig werden ließ. Der voll besetzte Konzertsaal erlebte ein dynamisches, nuancenreiches, von Peter Kuhn sensibel geführtes Ensemble, das mit einem sich klar artikulierenden, sehr klangvollen, von Ulrich Eick-Kerssenbrock sicher auf den Auftritt vorbereiteten Chor als ebenbürtigem Partner agierte. Und mit den tragfähigen Solisten genügend Rüstzeug besaß, um in erstklassiger gegenseitiger Abstimmung die innere Dramaturgie der „Jahreszeiten“ zum Leuchten zu bringen. Das bäuerliche Leben im Licht der Jahreszeiten, das war das einfache und sehr bewegende Thema, das einen spannungsreichen Bogen vom Frühling zum Winter zog und zahlreiche Hörgenüsse bescherte.

Da stimmten Chor und Solisten bei „Sei nun gnädig lieber Himmel“ einen ergreifenden Wechselgesang an, da zeigte Annika Boos in „Erhört ist unser Flehn“ präzisen, den beiden männlichen Kollegen überlegenen Gesang auch in hohen Lagen. Und wie sicher der Chor die komplex gesetzten Fugen meisterte – Hochachtung. Die Duette und Terzette bestachen durch präzise Stimmführung. Alle Orchestereinleitungen waren mit Sinn für Melodik und Klang präsentiert und die Arien der Solisten von erhabener Schönheit.

Die stimmungsvoll dargebotenen Rezitative begleitete GMD Kuhn selbst auf dem Clavicord. Nummern wie „Ach, das Ungewitter naht“ belegten die enorme dynamische Souveränität des Orchesters, und im Herbst-Abschnitt erlebte man die unbeschwertesten Momente des Abends. Hier dominierte elementare Lebensfreude – angefangen von „So lohnet die Natur den Fleiß“, einem prachtvollen Fugato für Chor und Terzett, über Torben Jürgens´ beschwingte Arie „Seht auf die breiten Wiesen“ und Uwe Stickerts starkes Rezitativ „Hier treibt ein dichter Kreis“ bis zum energiestrotzenden Jagdchor „Hört das laute Getön“.

Ein sinnenfrohes Weinfest beendet den Herbst, bevor der Winter einen Hauch von Winterreise-Melancholie herbei weht: Stickert singt die Arie des Wanderers, Annika Boos lässt sich beim „Mädchen, das auf Ehre hielt“, das sie als beschwingtes Cappricio mit großer Selbstverständlichkeit gibt, von sensitiven Streicherakzenten inspirieren.

Das getragene „Erblicke hier, betörter Mensch“ ist dann ein sehr nachdenklicher Dialog von Orchester und Tenor, der, eingeleitet von hellen Trompetenfanfaren, in ein von Terzett und Doppelchor geführtes Finale übergeht – das satter, voluminöser, ja erhabener kaum hätte sein können. Minutenlanger Applaus krönte den gelungenen Abend.